In einem vergangenen Beitrag haben wir bereits das eHaul Projekt vorgestellt. Dabei haben wir den Fokus auf die Entwicklung des Charge Planners zur Ladeoptimierung in der Wechselstation gelegt. Zusammengefasst handelt es sich bei dem Projekt eHaul um ein Forschungsprojekt, welches sich auf die Elektrifizierung des Langstreckengüterverkehrs elektrischer Lastkraftwagen (eLKW) konzentriert. Durch die Entwicklung eines vollautomatischen Batteriewechselkonzepts soll ein Proof-of-Concept für den elektrischen Fernverkehr geschaffen werden. Das Projekt wird von einem Konsortium aus Industrie und Forschungseinrichtungen durchgeführt zu dem auch urban energy gehört. Im November 2023 wurde die Wechselstation offiziell eröffnet und final in Betrieb genommen.
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit erweiterten technischen Konzepten, welche als Grundlage für zukünftige Geschäftsmodelle von Wechselstationen dienen. Nötig ist diese Untersuchung, da aufgrund ihrer Neuartigkeit bisher keine Erfahrungen hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit von verschiedenen Verwendungsmögluchkeiten der Wechselstationen vorliegen. Um diesem Umstand konzeptionell entgegenzuwirken hat urban energy im Rahmen des Projekts eine Impact-Analyse durchgeführt und die untersuchten Szenarien mit Hilfe von Simulationen validiert. Die in der Analyse ermittelten Ergebnisse sollen dazu beitragen, zukünftig die Wirtschaftlichkeit der Wechselstationen zu erhöhen und die Integration in das Stromnetz zu erleichtern.
Szenario 1: Baseline - Wechselstation mit ausschließlichem Netzbezug
Im ersten Anwendungsfall liegt der Fokus auf einer Wechselstation, die ausschließlich Netzstrom verwendet, um Batterien aufzuladen und auszutauschen. Das Beispiel stellt dabei eine Baseline dar und ist technisch im Vergleich zu den erweiterten Optionen technisch am wenigsten komplex.
Erweitert wurde die Baseline noch mit der Möglichkeit zur optimierten Ladesteuerung. Dabei werden die verwendeten Batterien möglichst zu Zeiten mit einem im Vergleich geringen Strompreis geladen. Diese Optimierung kann entweder basierend auf Vorgersagen zum in der Zukunft voraussichtlich geltenden Strompreis geschehen oder aber alternativ heuristisch indem die Batterien nach Möglichkeit in den Nachtstunden geladen werden. Es wird in diesem Fall davon ausgegangen, dass elektrische Energie typischerweise in den Nachtstunden günstiger ist als zu typischen Hochlastzeiten während des Tages.
In den durchgeführten Simulationen zeigte sich ein Potenzial von etwa 6 % Kosteneinsparung bei der Verwendung einer Ladeoptimierung und einem dynamischen Stromtarif im Vergleich zum Ansatz bei dem nur zwischen ein Tag- und einem Nachttarif unterschieden wurde.
Verlagerung der Ladezeiten in die Nacht reduziert Belastung des Netzanschlusses der Wechselstation Batterien werden zu Zeiten mit niedrigeren Strompreisen und geringerer Nachfrage geladen. Wirtschaftliche Verbesserung und Potenzial für effizientere Nutzung des Stromnetzes. Verbesserte Gesamtleistung des Netzes durch bessere Reaktion auf Nachfrageveränderungen und Vermeidung von Überlastungen während Spitzenlastzeiten.
Das unten stehende Diagramm gibt einen Einblick in die von uns durchgeführten Simulationen. Es zeigt, dass das Aufladen der Wechselbatterien möglichst in Zeiten mit einem vergleichsweise geringen Strompreis verlagert wird. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass, abhängig von der Auslastung der Wechselstation, die Möglichkeit zur Verlagerung des Energiebezugs begrenzt ist.
Vorteile | Nachteile |
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Technisch vergleichsweise einfache Umsetzung | Lässt eventuell vorhandenes Potenzial ungenutzt |
Mögliche Optimierung bei Verwendung dynamischer Stromtarifen | Unpräzise Preisvorhersagen können Effizienz beeinträchtigen |
Szenario 2: ReUse - Verwendung ungenutzter Batterien als Zwischenspeicher
Die in der Wechselstation eingesetzten Speicherbatterien werden mit fortschreitender Nutzung einen Teil ihrer Kapazität verlieren. Der tatsächliche Verlust an nutzbarer Kapazität je Zeiteinheit hängt von Faktoren wie dem Nutzungsprofil, der verwendeten Speichertechnologie und der ursprünglichen Nennkapazität ab. Alle aktuell verwendeten Speichertechnologien sind von dieser Abnutzung betroffen.
Durch diese Abnutzung ist es nicht zu vermeiden, dass die Speicherbatterien ab einem bestimmten Zeitpunkt, dieser hängt vor allem von den durch die Spediteure zu fahrenden Distanzen ab, nicht mehr für die Verwednung als Wechselbatterie geeignet sind.
Um diese ausrangierten Batteriespeicher weiterhin gewinnbringend einsetzen zu können, lassen sich diese als Zwischenspeicher innerhalb der Wechselstation verwenden. Aufbauend auf die Optimierung mittels dynamischer Stromtarife im Baseline-Szenario erlaubt es die zusätzliche Speicherkapazität Energie zu Zeitpunkten zu beziehen an denen diese vergleichsweise günstig ist. Wenn eine anderere als Wechselspeicher verwendete Batterie zu einem Zeitpunkt mit einem hohen Strompreis geladen werden müsste, kann dann ein Teil dieser Energie aus dem Zwischenspeicher bezogen werden. Damit kann der durchschnittliche Energiepreis gegenüber dem Baseline-Szenario weiter reduziert werden.
Die für dieses Szenario durchgeführten Simulationen ergaben eine durchschnittliche Reduktion des Strompreises pro Kilowattstunde um 9% im Vergleich zum Baseline-Szenario.
Vorteile | Nachteile |
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Keine bzw. geringe Anschaffungskosten der Speicherbatterien im Vergleich zu herkömmlichen Speicherlösungen | Wiederverwendete Batterien voraussichtlich nicht bei Inbetriebnahme der Anlage verfügbar |
Effektivere Optimierung bei der Nutzung dynamischer Strompreise im Vergleich zur Baseline | Entwicklung von erweiterten Optimierungsalgorithmen erforderlich |
Szenario 3: Erneuerbar - Wechselstation mit eigener Energieerzeugung
Eine weitere Möglichkeit den durchschnittlich gezahlten Preis pro Kilowattstunde zu reduzieren besteht darin die Wechselstation mit einer eigenen Energieerzeugungsanlage auszustatten. Sinnvoll wird dieses Konzept vor allem wenn dabei auf erneuerbare Energien wie Photovoltaik oder Windkraft gesetzt wird.
Bei der Nutzung von eigens produzierter Energie ist die Verwendung von lokaler Speicherkapaizität sinnvoll. Die Speicherbatterien können dabei als Puffer dienen, um die Energieerzeugung und den Energiebedarf zu entkoppeln. Dies ermöglicht es, die Energie zu speichern, wenn sie produziert wird, und sie zu verbrauchen, wenn sie benötigt wird
Abhängig von der Nutzung der Anlage und der installierten Kapazität der erneuerbaren Energieerzeugungsanlage kann es vorkommen, dass die Wechselstation zeitweise mehr Energie produziert als benötigt wird. In diesem Fall sollte im Voraus ein optimierter Ladeplan für die Batterien erstellt werden, um die überschüssige Energie speichern zu können. Alternativ kann überschüssige Energie auch in das öffentliche Stromnetz eingespeist werden. Unsere Simulationen ergaben jedoch, dass ein maximierter Selbstverbrauch der produzierten Energie die wirtschaftlichste Lösung darstellt.
Die initialen Investitionen in die Speicherbatterien und die erneuerbare Energieerzeugungsanlage sind zwar vergleichsweise hoch, über die zu erwartende Lebensdaur der Anlagen hinweg ergibt sich jedoch insgesamt ein wirtschaftlicher Vorteil.
Die unten stehende Grafik zeigt die Simulationsergebnisse für die Verwendung von erneuerbarer Energie in der Wechselstation. Sie zeigt, dass die Wechselstation in der Lage ist, einen Großteil ihres Energiebedarfs aus eigener Produktion zu decken. In der Simulation wurden historische Daten aus dem Jahr 2019 verwendet, um die Leistung der Photovoltaikanlage zu simulieren.
Vorteile | Nachteile |
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Im Vergleich zu anderen Szenarien größte Kosteneinsparungen | Hohe Initiale Investitionen in Erneuerbare Kapazität und Speicher |
Selbstverbrauch von eigener erneuerbarer Energie verbessert Umweltbilanz der Wechselstation | Für maximale Effizienz intelligentes Batteriemanagement nötig |
Szenario 4: Netzdienstleistungen - Wechselstation als Teil des Stromnetzes
Denkbar wäre auch eine Integration der Wechselstation, um Primärregelleistung und ähnliche Netzdienstleistungen anzubieten. Die Wechselstation könnte dabei als Teil eines virtuellen Kraftwerks agieren, indem sie die Batterien zu bestimmten Zeitpunkten für das Laden bzw. Entladen sperrt. Auch können die Batterien als Puffer für die Netzstabilität dienen, indem sie bei Bedarf Energie aus dem Netz aufnehmen oder abgeben.
Da das Bereitstellen von Netzdienstleistungen eine lukrativere Einnahmequelle darstellt als der reine Betrieb einer Wechselstation, kann die Integration von Netzdienstleistungen die Wirtschaftlichkeit der Wechselstation weiter verbessern.
Problematisch an diesem Konzept könnte es sein, dass die Bereitstellung der Netzdienstleistungen den Betrieb der Wechselstation beeinträchtigen könnte. So könnte es vorkommen, dass die Batterien zu einem Zeitpunkt für das Laden gesperrt sind, zu dem sie eigentlich geladen werden müssten, um Reservierungen der Spediteure zu erfüllen.
Um diese Fälle zu minimieren ist auch in diesem Szenario ein intelligentes Batteriemanagement nötig, welches den Betrieb der Wechselstation und die Bereitstellung von Netzdienstleistungen optimal koordiniert.
Vorteile | Nachteile |
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Zweites wirtschaftliches Standbein macht Anlagenbetreiber weniger abhängig von Bedarf nach Batteriewechseln | Netzdiensleistungen stellen konzeptionell Konkurrenz zum eigentlichen Use-Case der Wechselstation dar |
Trägt zur Verbesserung der Netzstabilität bei | Hohe Voraussetzungen um Netzdienstleistungen anbieten zu können |
Fazit und Ausblick
Die in diesem Beitrag vorgestellten Szenarien zeigen, dass die Wechselstationen der Zukunft nicht nur als reine Infrastruktur für den Betrieb von eLKW dienen können. Vielmehr können sie auch als Teil eines intelligenten Stromnetzes agieren und so zur Stabilität und Effizienz des Stromnetzes beitragen. Die Integration von erneuerbaren Energien und die Bereitstellung von Netzdienstleistungen können die Wirtschaftlichkeit der Wechselstationen weiter verbessern.
Die in diesem Beitrag vorgestellten Szenarien sind jedoch nur ein Ausblick auf die Möglichkeiten, die sich in Zukunft bieten könnten. Die tatsächliche Umsetzung hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, darunter die technologische Entwicklung, die regulatorischen Rahmenbedingungen und die wirtschaftlichen Anreize.