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Peak ShavingEnergiepreiseOptimierung

Flexibel und effizient Energiekosten sparen: Die Evolution vom Peak Shaving zum Energy Cost Optimizer

21. Februar 2024

Linus Lawrenz

Viele Unternehmen in Deutschland stehen vor einem gemeinsamen Problem: hohe Preise für Strom und Gas. Branchenübergreifend sehen sich deutsche Unternehmen mit steigenden Energiepreisen konfrontiert, die nicht nur ihre Profitabilität beeinträchtigen, sondern auch ihre langfristige Wettbewerbsfähigkeit gefährden.
Die Energiekosten in Deutschland gehören zu den höchsten in Europa. Es wird somit immer deutlicher, dass Unternehmen aktiv Maßnahmen ergreifen müssen, um den gestiegenen Kosten entgegenzuwirken. Neben dem betriebswirtschaftlichen Druck gibt es aber auch positive wirtschaftliche Anreize: Technologien wie elektrische Speicher und PV-Anlagen die vor ein paar Jahren noch teuer und somit zum Zweck der Kosteneinsparungen kaum geeignet waren, sind in den vergangenen Jahren immer besser verfügbar und somit auch günstiger geworden. Die Zeit ist reif um vorhandenes Optimierungs- und Einsparpotenzial zu nutzen.

Die Philosophie von Urban Energy ist es durch digitale und innovative Lösungen Unternehmen auf Ihrem Weg in eine nachhaltige Zukunft zu begleiten. Von der Strategie, über die Datenerhebung bis hin zur Implementierung der geeigneten Software verbinden wir Nachhaltigkeit mit Digitalisierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Deshalb haben wir den Energy Cost Optimizer, kurz ECO, entwickelt, um Unternehmen dabei zu helfen, ihre Ausgaben für elektrische Energie zu senken. ECO ist die Kombination aus den Erfahrungen und dem technischen Know-how, welche wir aus bereits erfolgreich durchgeführten Projekten sammeln konnten.

Die Ursprünge

In einem Kundenprojekt wurden wir vor die Herausforderung gestellt, die Nutzung eines Batteriespeichers, der an eine Industrieanlage angeschlossen ist, zu optimieren und damit das finanzielle Einsparpotenzial zu erhöhen. Unsere Idee war einfach aber effektiv: Viele Unternehmen zahlen neben den Verbrauchskosten, die für jede verbrauchte Kilowattstunde anfallen, einen Leistungspreis, der in Abhängigkeit vom Verbrauchsprofil bis zu 30 % der vollständigen Stromkosten ausmachen kann. Der Leistungspreis ergibt sich aus der in einem Jahr über eine Viertelstunde aus dem Netz bezogenen Maximalleistung. Diese Viertelstunde, in der die jährliche Leistungsspitze abgerufen wird, bestimmt somit einen relevanten Anteil der Stromrechnung. Der durchschnittliche Preis je kWh Peakleistung liegt aktuell bei etwa 150 € pro Jahr1. Neben den Einsparungen durch die verringerte Peakleistung können viele Unternehmen durch netzdienliches Verhalten auch einen Rabatt auf die Netzentgelte erzielen.
Die technische Lösung für dieses Problem lautet Peak Shaving. Die grundsätzliche Idee hinter Peak Shaving ist es, dass die in der Batterie gespeicherte elektrische Energie verwendet werden kann, um zu Zeitpunkten mit einem hohen Energiebedarf ein Teil dieses Bedarfs nicht durch Netzstrom, sondern durch die Nutzung der Batterie abgefangen werden kann. Durch die Entladung der Batterie sinkt somit der effektive Strombedarf, der aus dem Netz bezogen werden muss.

Der erste Schritt: Hybrides Peak Shaving

Neben einer elektrischen Speicherbatterie wird bei unserem Kunden noch eine lokal installierte PV-Anlage verwendet, um die jährliche Peak Leistung und damit die Leistungskosten reduzieren zu können.
Die Integration einer lokalen Produktion von erneuerbarer Energie wird als hybrides Peak Shaving bezeichnet. Dieser hybride Ansatz wurde in den vergangenen Jahren konzeptionell untersucht, jedoch sind tatsächlich funktionierende Implementierungen noch selten. Wir haben den theoretischen Ansatz praktisch umgesetzt und um unsere eigenen KI-Lösungen erweitert.
Eine große Herausforderung von hybridem Peak Shaving ist, dass sich durch die Integration von lokaler erneuerbarer Produktion einerseits das betriebswirtschaftliche Potenzial deutlich erhöht, andererseits aber auch die Komplexität der Steuerung der Speicherbatterie steigt. Klassisches Peak Shaving funktioniert regelbasiert. Das bedeutet, dass der Speicher genau dann entladen wird, wenn der aktuelle Netzbezug den bisherigen Jahrespeak, oder einen anderen im Voraus gesetzten Wert, überschreitet. Wenn die Peak-Phase vorbei ist, wird die Batterie entweder umgehend oder in der darauffolgenden Nacht geladen. Bei der Verwendung von komplexeren, hybriden Peak Shaving-Lösungen ist dieser Ansatz nicht mehr zeitgemäß. Beispielsweise kann eine rein regelbasierte Batteriesteuerung dazu führen, dass der Speicher genau dann bereits entladen ist, wenn der eigentlich höchste Peak eines Tages noch aussteht.
In Verbindung mit einer PV-Anlage besteht die Anfälligkeit für die Problematik, dass Überschüsse in der Produktion nicht in der Batterie gespeichert werden können, da die Batterie bereits vollständig geladen ist.

Die Evolution: Energy Cost Optimizer (ECO)

Basierend auf den Erfahrungen in unserem Kundenprojekt haben wir ECO entwickelt. Das wichtigste Learning war, dass wir zwar in der Lage waren den Leistungspreis zu optimieren, der verwendete Speicher dafür aber an vielen Tagen im Jahr nicht vollständig benötigt wurde. Das liegt daran, dass Spitzenlasten in den meisten Industrieanwendungen selten auftreten und eine Optimierung hinsichtlich ihrer Senkung somit nicht regelmäßig nötig ist. Um die vergleichsweise hohen Initialkosten eines elektrischen Speichers zu rechtfertigen, sollte dieser aber möglichst zu seinem vollen Potenzial verwendet werden. ECO ist deshalb nicht nur in der Lage Leistungskosten zu senken, sondern auch Verbrauchskosten zu optimieren. Die Voraussetzung dafür ist die Integration von Intraday-Strompreisprognosen.
Basierend auf dem Wissen über die zu erwartende Entwicklung des Strompreises kann die Batterie geladen werden, wenn der Strom besonders günstig oder sogar kostenlos ist. Umgekehrt wird die Batterie entladen, wenn die Preise in die Höhe schnellen. Damit erlaubt es ECO, dynamische Stromtarife optimal zu nutzen. Der wichtigste Hebel für die Senkung der Energiekosten bleibt jedoch weiterhin die Minimierung der Leistungskosten. Die Verbrauchskostenoptimierung rückt erst dann in den Vordergrund, wenn Spitzenlasten unwahrscheinlich sind oder nur kurz auftreten.

In den von uns mit ECO durchgeführten Simulationen zeigte sich, dass eine alleinige Optimierung der Leistungskosten die Potenziale einer Speicherlösung nicht vollständig ausnutzt. Die untenstehende Grafik zeigt einen beispielhaften Verlauf der Nutzung des Batteriespeichers über 24 Stunden. Die türkisen Säulen zeigen den aktuellen Ladestand der Batterie an. Zu Zeitpunkten, an denen der aktuelle Preis je verbrauchter Kilowattstunde gering ist, wird die Batterie geladen und genau dann wieder entladen, sobald die Preise wieder steigen. example image

Darüber hinaus haben wir ECO mit einer Reihe von verschiedenen frei verfügbaren Datenquellen validiert. Dabei zeigte sich, dass die durchgeführten Optimierungen in der Lage sind sowohl die Leistungskosten als auch die Verbrauchskosten deutlich zu senken. Zwei repräsentative Beispiele sind:

  1. Am Beispiel einer Bäckerei mit angeschlossenem Verkauf und einem Jahresverbrauch von 15.000 kWh pro Jahr konnten die Leistungskosten im Vergleich zum herkömmlichen Peak Shaving um 20 % gesenkt werden. Diese Einsparung der Leistungkosten entspricht einer effektiven monetären Einsparung von ca. 9.000 € pro Jahr. In diesem Szenario wurde eine 50 kWh Batterie verwendet. Im Vergleich zum herkömmlichen Peak Shaving wurde keine zusätzliche Hardware benötigt, die Einsparung wurde also allein durch die Optimierung der Ladesteuerung erreicht.
  2. In einem beispielhaften Produktionsbetrieb der Papierindustrie mit einem Jahresverbrauch von 1.000.000 kWh pro Jahr konnten neben den Leistungskosten auch die Verbrauchskosten um durchschnittlich 8 % gesenkt werden. Die in diesem Szenario verwendete Photovoltaikanlage mit einer Nennleistung von 50 kWh wurde so optimiert, dass stets alle Überschüsse in die Batterie geladen werden konnten. In diesem Szenario wurde eine Batterie mit einer Kapazität von 500 kWh verwendet.

ECO von innen und ein Blick in die Zukunft

Von Grund auf ist ECO als modulare Anwendung konzipiert. Die Architektur ist sowohl in der Lage Simulationen auf Grundlage von historischen Werten durchzuführen als auch in einer Live-Anwendung verwendet zu werden.

Im Kern existieren die folgenden Hauptkomponenten:

  • Forecasting-Modelle
    Je nach Anwendungsfall kann ECO verschiedenste Machine Learning Methoden nutzen, um Forecasts zu integrieren. Die spezifischen Verfahren, Features und Metriken können für jeden Verbraucher und Erzeuger eigens optimiert und angepasst werden. Um ECO sinnvoll einsetzen zu können, werden Forecasts des Energiebedarfs, der Produktion eventuell vorhandener Erzeuger und des zu zahlenden Strompreises benötigt.

  • Optimizer
    Basierend auf den Forecasts wird ein optimierter Ladeplan entwickelt. Dieser beinhaltet je Zeitintervall eine geplante Lade- beziehungsweise Entladeleistung. Ein typisches Zeitintervall beträgt eine Viertelstunde, es können aber auch andere Intervalle verwendet werden.

  • Live Controller
    Diese Komponente interpretiert den Ladeplan zum Zeitpunkt seiner Umsetzung. Da Vorhersagen über die Zukunft nie vollständig korrekt sein können, ist diese Komponente besonders wichtig als Brücke zwischen dem theoretisch optimalen Ladeplan und den tatsächlich realisierten Werten. In dieser Komponente kann in der Praxis auch die tatsächliche Kommunikation mit einem Battery Management System (BMS) stattfinden.

In der Zukunft werden wir weiter daran arbeiten das Konzept von ECO an die vielfältigen Bedürfnisse unterschiedlicher Kunden anzupassen. Dafür muss ECO in der Lage sein über immer mehr verbreitete Standardprotokolle mit einem breiten Spektrum von Komponenten wie Metern oder Steuersystemen zu kommunizieren. Weiterhin werden wir gemeinsam mit unseren Kunden durch gewonnene Erfahrungen auch den Optimizer und die Forecasts fortlaufend weiterentwickeln. example image

Die aktuelle politische und wirtschaftliche Entwicklung spricht für unseren Ansatz. Dynamische Stromtarife werden immer verbreiteter und die Optimierung der eigenen Energiekosten wird immer mehr zu einem wichtigen Faktor im gegenseitigen Wettbewerb. Wir sind davon überzeugt, dass Investitionen in eine intelligente Steuerung der eigenen Energie-Infrastruktur heute entscheidende Vorteile für Unternehmen von morgen bieten.

Footnotes

  1. https://www.elektropraktiker.de/nachrichten/nachricht/erhoehte-energiekosten-fuer-industrie-und-gewerbe

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