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Ladeoptimierung im großen Stil: Wie die Mobilitätswende auch im Güterverkehr auf der Straße gelingt

6. März 2024

Linus Lawrenz

Die Elektrifizierung von Personenkraftwagen (PKW) ist seit Jahren auf dem Vormarsch. Im Jahr 2022 waren 31 % aller Neuzulassungen zumindest zum Teil elektrisch angetriebene Fahrzeuge1. Der Güterverkehr auf der Straße hinkt jedoch hinterher. Im Jahr 2023 lag der Anteil elektrisch angetriebener LKW bei 0,05 %2.
Dabei ist die Elektrifizierung des Güterverkehrs ein key factor, um die Klimaziele zu erreichen, denn etwa 74 % des deutschen Güterverkehrs findet auf der Straße statt3. Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderte Projekt eHaul zielt darauf ab, ein neuartiges Konzept zum Laden von elektrisch betriebenen LKW (eLKW) umzusetzen und zu erproben. Das Projekt im Allgemeinen und die Rolle von urban energy bei der Ladeoptimierung wird in diesem Artikel vorgestellt.

Die Herausforderungen der Elektrifizierung von LKW

Die Elektrifizierung von Lastkraftwagen (LKW) stellt im Vergleich zu der Elektrisierung von PKW eine besondere Herausforderung dar. Ein entscheidender Faktor ist das Gewicht und die Größe von LKW, die im Güterverkehr eingesetzt werden. Die Batterien, die für die Elektromobilität benötigt werden, sind oft voluminös und schwer. Das bedeutet, dass eLKW-Batterien eine erheblich höhere Kapazität benötigen, um die notwendige Reichweite und Leistung zu gewährleisten. Die aktuellen technologischen Entwicklungen im Batteriebereich zielen zwar darauf ab, die Energiedichte zu erhöhen und das Gewicht zu reduzieren, dennoch sind die Anforderungen an eLKW-Batterien aufgrund der Größe und des Nutzlastbedarfs signifikant höher.

Ein weiteres Problem ist die Infrastruktur für die Ladung von LKW. Im Gegensatz zu PKW, die oft über Nacht zu Hause geladen werden können, müssen Lastkraftwagen während ihrer begrenzten Ruhezeiten oder Pausen aufgeladen werden. Hierbei stellt die Schaffung von leistungsfähigen und flächendeckenden Ladeinfrastrukturen eine logistische und finanzielle Herausforderung dar, da sie nicht nur an Raststätten, sondern auch an den Orten, an denen die Güter verladen und entladen werden, installiert werden müssen. Im Ergebnis ist die Elektrifizierung des Güterverkehrs auf der Straße eine komplexe Aufgabe, die eine Vielzahl von technischen, wirtschaftlichen und logistischen Herausforderungen mit sich bringt.

Optimierungsprobleme in der Energiewirtschaft

In den Projekten, die wir bei urban energy durchführen, treffen wir regelmäßig auf Herausforderungen, die sich durch ein Optimierungsproblem lösen lassen. Optimierungsprobleme zielen in der Regel darauf ab, Ressourcen effizient zu nutzen beziehungsweise Kosten zu minimieren. Einfache Optimierungsprobleme lassen sich in vergleichsweise kurzer Zeit lösen. In der Energiewirtschaft liegen jedoch häufig eine Vielzahl von heterogenen Variablen, Beschränkungen und Zielfunktionen vor, welche alle gemeinsam berücksichtigt werden müssen.
Technisch werden Optimierungsprobleme mithilfe von mathematischen Modellen und Lösungsalgorithmen, sogenannten Solvern, gelöst. Diese Werkzeuge ermöglichen es, verschiedene Szenarien durchzuspielen und Vorhersagen darüber zu treffen, wie bestimmte Entscheidungen die Gesamteffizienz und die Kosten beeinflussen.

In der Energiewirtschaft kommen Optimierungsprobleme in zahlreichen Bereichen zur Anwendung. Dazu gehören die Planung und der Betrieb von Stromnetzen, die Integration erneuerbarer Energien, die Optimierung von Energieflüssen in Smart Grids, die Laststeuerung zur Spitzenlastglättung und die Planung von Wartungsarbeiten. Jedes dieser Probleme erfordert eine passgenaue Lösung, die die einzigartigen Herausforderungen und Ziele des jeweiligen Systems berücksichtigt. Dafür muss zunächst ein möglichst breites Verständnis der vorliegenden Begebenheiten erlangt werden, welches dann in ein mathematisches Modell überführt werden kann.
Aus unserer Praxis zeigt sich, dass die Fähigkeit, Optimierungsprobleme effektiv lösen zu können, in der Zukunft entscheidend sein wird für die Sicherstellung einer zuverlässigen, kosteneffizienten und umweltfreundlichen Energieversorgung.

Das eHaul-Projekt

Das Forschungsprojekt eHaul konzentriert sich auf die Elektrifizierung des Langstreckengüterverkehrs mithilfe von eLKW. Durch die Entwicklung eines vollautomatischen Batteriewechselkonzepts und der Untersuchung der Möglichkeit zur Integration von Netzdienstleistungen soll ein Proof-of-Concept für den elektrischen Fernverkehr geschaffen werden. Die hohe Auslastung der Wechselstationen, die technische Reife und wirtschaftliche Skaleneffekte machen das Konzept technisch marktreif und wirtschaftlich betreibbar, was es von anderen aktuellen Lösungen im Güterfernverkehr auf der Straße abhebt. Das Projekt wird von einem Konsortium aus Industrie und Forschungseinrichtungen durchgeführt zu dem auch urban energy gehört. Im November 2023 wurde die Wechselstation offiziell eröffnet und in Betrieb genommen4.

Seit April 2023 werden bereits zwei eLKW im realen Betrieb getestet. Die eLKW fahren dabei regelmäßig auf ihren Routen in die Wechselstation in der Nähe von Berlin, um ihre Batterien zu wechseln. Dabei können die Spediteure angeben mit welchem Ladestand sie die Wechselstation anfahren und wie viel Energie sie in der Batterie benötigen.
Als Experte für Optimierungsprobleme in der Energiewirtschaft hat urban energy unter anderem die Aufgabe, die Ladevorgänge der Batterien zu optimieren, um die Kosten für den Betrieb der Wechselstationen zu minimieren und die Integration in das Stromnetz zu erleichtern. Dafür haben wir im Rahmen des eHaul-Projekts den Charge Planner entwickelt, ein intelligentes Planungstool, das die Ladevorgänge der Batterien in der Wechselstation optimiert. example image

Der Charge Planner - Warum eigentlich?

Warum ist es eigentlich notwendig für die Planung der Ladevorgänge eine Optimierung durchzuführen? Theoretisch wäre es denkbar, die Batterien, sobald diese in der Wechselstation eingetroffen sind, mit ihrer maximal verfügbaren Ladeleistung zu laden. Damit wäre gewährleistet, dass die Batterien zu jedem Zeitpunkt so voll geladen sind wie es technisch möglich ist.
Zwei Hauptprobleme sorgen dafür, dass diese theoretisch denkbare Herangehensweise in der Praxis im eHaul Projekt nicht zur Anwendung kommt:

  1. Schonung der Batterien
    Aufgrund ihrer Größe und der Fähigkeit zum Austauschen sind die verwendeten Batterien vergleichsweise teuer in der Anschaffung wodurch die Notwendigkeit entsteht, diese möglichst schonend zu behandeln. Um die Lebensdauer der verwendeten Batterien zu optimieren, kann deshalb die aktuelle Ladeleistung von Faktoren wie dem aktuellen SoC und der maximalen Kapazität abhängig geregelt werden. Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass es für die verwendeten Batterien schonender ist, wenn diese mit einer möglichst geringen Ladeleistung geladen werden.
  2. Betriebswirtschaftliche Interessen des Anlagenbetreiber
    Was jetzt schon klar ist, wird in den kommenden Jahren auch mehr und mehr bei den Verbrauchern ankommen: Strom ist nicht gleich Strom. Innerhalb von wenigen Stunden kann es zu großen Schwankungen der jeweils aktuellen Intraday-Strompreise kommen. Sollte der Beitreiber einer Wechselstation einen dynamischen Stromtarif nutzen bei welchem er von temporär geringen Strompreisen profitieren kann, würde er das Beladen der Batterien gerne möglichst in Zeiten mit einem geringen Strompreis legen. Doch auch ohne dynamische Stromtarife kann es Anreize geben das Beladen der Batterien in andere Zeiten zu verlagern. Falls eine Wechselstation beispielsweise ihre eigene Energie erzeugt, um einen Teil des Energiebedarfs zu decken, wäre es wünschenswert das Laden der Batterien in Zeiten mit möglichst viel selbst erzeugter Energie zu verlagern. Auch wäre es denkbar mithilfe der in der Anlage vorhandenen Batterien Netzdienstleistungen anzubieten. Diese würden einen Teil der vorhandenen Batteriekapazitäten zu vorher definierten Zeitpunkten für das Laden bzw. Entladen sperren.
    Auch für Peak Shaving und Lastspitzenmanagement kann es sinnvoll sein, die Ladeleistung der Batterien zu bestimmten Zeitpunkten zu reduzieren. Mehr zum Thema Peak Shaving findet sich in einem unserer anderen Artikel.

Der Charge Planner - Wie funktioniert er?

Neben den bereits genannten Faktoren, die dafür sprechen, die Ladeleitung der Batterien zu bestimmten Zeitpunkten zu reduzieren, muss natürlich trotzdem gewährleistet werden, dass die Batterien zu den gewünschten Zeitpunkten mit der gewünschten Energiemenge geladen sind. Wann immer ein neuer Batteriewechsel durch einen Kunden der Wechselstation angekündigt wird, erzeugt der Charge Planner eine optimale Ladeplanung für alle Batterien, die sich aktuell in der Wechselstation befinden beziehungsweise zukünftig eingeplant sind. Dabei können Faktoren wie die aktuellen Strompreise und der aktuelle Energiebedarf der Wechseltation berücksichtigt werden. Auch wenn die Wechselstation aktuell keine Netzdienstleistungen verrichtet und auch keine eigenen Energieerzeugungsanlagen betreibt, kann der Charge Planner perspektivisch so verändert werden, dass diese Faktoren berücksichtigt werden.
Der Charge Planner ist damit in der Lage, die Ladeleistung der Batterien so zu regeln, dass die Batterien zu den gewünschten Zeitpunkten mit der gewünschten Energiemenge geladen sind und dabei gleichzeitig die Lebensdauer der Batterien maximiert und die Kosten für den Betrieb der Wechselstation minimiert werden.

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Footnotes

  1. https://www.vda.de/de/themen/elektromobilitaet/marktentwicklung-europa-international/deutschland

  2. https://www.tagesschau.de/wirtschaft/mercedes-lkw-elektro-eactros600-100.html

  3. https://www.dlr.de/de/aktuelles/nachrichten/daten-und-fakten/gueterverkehr-in-deutschland-verkehrsmittel-im-vergleich

  4. https://www.ehaul.eu/post/video-ehaul-wechselstationser%C3%B6ffnung

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